Heute möchte ich mich mal kurz über Behinderungen aufregen.
Auf der Autobahn ist eine Baustelle. Das Tempo ist auf 80km/h beschränkt. Ich fahre mit meinem Auto alleine durch diese Baustelle. Die Geschwindigkeit ist niedriger, aber ich komme problemlos vorbei. Das ist also eine Einschränkung, mit der ich umgehen kann.
Gleiche Situation nur mit anderen Verkehrsteilnehmern. Hier kommt es schnell zu zähem Vorwärtskommen oder gar zum Stillstand. Irgendwer wird oft ohne es zu merken dafür sorgen, dass alle nachfolgenden Verkehrsteilnehmer zu Stauteilnehmern werden.
Dieser Rant von mir ist aus der Sicht eines Betroffenen.
Frust aus 50cm Sitzhöhe
Genug in Bildern gesprochen. Ich habe Einschränkungen, mit denen ich gut umgehen kann. Manches mache ich langsamer oder auf meine Art. Aber ich komme zum Ziel.
Leider wird im öffentlichen Raum meine Einschränkung zur Behinderung. Auch hier steckt keine Absicht dahinter. Hier reicht schlichte Unkenntnis als Erklärung aus. Bordsteinkanten, schmale, kaputte, schräge Gehwege, kreativ platzierte Schilder und Betonsäulen in Rampen, gar keine Rampen, hohe Regale und als absoluter Endgegner: Kopfsteinpflaster! In meiner kleinstädtischen Umgebung ist der öffentliche Nahverkehr auch ausbaubedürftig und mit der Bahn kann ich spontan irgendwohin fahren, wenn ich drei Tage vorher meine Spontanfahrt beim Mobilitätsdienst angemeldet habe.
Nicht falsch verstehen, vieles läuft schon gut und erleichtert das Leben mit Einschränkung erheblich. In den letzten Jahren hat sich schon viel verbessert. Und es wird sich auch weiterhin viel verbessern. Hier helfe ich auch mit meiner Sicht als Betroffener mit, dass an meinem Wohnort besser geplant wird, so dass das hier nicht nur ein „Müsste, Könnte, Sollte“-Rumgeheule ist.
Aber was mich richtig aufregt: Von anderen behindert zu werden! Wenn andere Menschen über mich entscheiden und mit ihren Entscheidungen aus meinen Einschränkungen eine Behinderung machen. Und hier unterstelle ich keine Unwissenheit, sondern blanke Ignoranz. Ich bekomme ein Hilfsmittel ärztlich verschrieben, das ich zum Erhalt oder in diesem Fall zum Wiederherstellen meiner Selbständigkeit benötige und es wird mir abgelehnt. Mir wird eine nicht näher beschriebene Alternative angeboten. Friss oder Stirb. Ohne das verordnete Hilfsmittel bin ich in meiner Wohnung gefangen. Möchte ich raus, bin ich immer auf fremde Hilfe angewiesen, um mich fortbewegen zu können. Auch nach ZWEI Gutachten von Ärzten, dass das Hilfsmittel nicht aus Spaß genau so und nicht anders verschrieben wurde und eine Stellungnahme meines Arbeitgebers später, wird immer noch darauf bestanden, dass das andere angebotene Hilfsmittel doch das billigere bessere sei. Leider habe ich nur spärliche Informationen darüber bekommen, was das denn ist. Und die Informationen, die ich bekommen habe, lassen die angebotene Alternative als mindestens unbrauchbar bis stark einschränkend erscheinen.
Mittlerweile geht der Schriftverkehr seit längerer Zeit hin und her. Ich habe immer Fristen von zwei Wochen, um irgendetwas nachzuweisen oder zu beantworten, aber andersherum kann ich froh sein, wenn ich schon nach einem Monat eine Antwort bekomme. Diese lautet meistens: „Wir haben Ihre Anfrage erhalten, Wir sind gerade sehr beschäftigt, halten Sie still, wir melden uns irgendwann bei Ihnen“.
Ich werde zum Bittsteller degradiert und bin völlig ausgeliefert. Und wehe es ist irgendwo ein Formfehler enthalten, geht das ganze Spiel wieder von vorne los.
Damit bin ich nicht alleine. Es sind so viele Menschen in der gleichen Situation, dass sich Vereine und Vereinigungen gebildet haben. Das zeigt schon, wie kaputt ein System ist, dessen Aufgabe es eigentlich ist, hilfsbedürftigen Menschen zu helfen, aber mehr Aufwand und Geld dafür aufgewendet wird Geld zu sparen, als die ursprüngliche Anfrage gekostet hätte.
ES REGT MICH AUF UND MACHT MICH FERTIG! Ich bin mit meiner Einschränkung schon genug gefordert, da muss ich mich nicht auch noch von am Schreibtisch sitzenden Personen, die mich noch nicht einmal gesehen haben behindern lassen.
Puh, durchatmen und beruhigen. Aber das musste mal raus.
Update vom 07.03.2023:
Ein großes Danke an alle die mir dabei geholfen haben.
Mittlerweile ging die ganze Sache vor das Sozialgericht. Dann gab es ein neues Gutachten durch einen vom Gericht bestellten Gutachter. Da steht im großen und ganzen noch einmal drinnen, dass das Hilfsmittel so wie verordnet notwendig ist.
Bevor es zu einer Verhandlung kam, hat mir die Krankenkasse in einem Vergleich angeboten das Hilfsmittel wie verordnet zu übernehmen. Diesen habe ich angenommen.
Nach zwei Jahren und vielen unnötig verbrannten Euros später erhalte ich nun Endlich ein Stück Freiheit zurück.