etwas komische Gedanken

Alltägliches, Nachdenkliches und völlig Absurdes.

Säureregen


Bäh, Regen. Es ist nass, der Himmel trüb und das bisschen Licht das bei mir ankommt ist kränklich gelb. Immerhin ist es hier auch ordentlich warm, so dass ich mir keine Erkältung hole. Das wäre ja auch zu blöd. Die wäre dann auch nur eingebildet. Ich stelle mich unter einen kleinen Überhang um mir nicht einbilden zu müssen, nass zu werden. Vorsichtig spähe ich zu den schnell vorbeiziehenden Wolken hoch. Aus diesen fällt der sehr ungemütliche Regen. Es ist Säureregen aus Schwefelsäure.

Ich bin auf der Venus aufgeploppt. Säureregen, gigantischer Luftdruck und ein galoppierender Treibhauseffekt. Damit ist dieser Planet eigentlich ganz gut zusammengefasst.

Aber ich bin ja gerade erst angekommen, da wäre es doch schade, schon wieder weiter zu ziehen. Dafür wirkt dieser Ort einfach zu unwirklich. Die schweren Wolken die mit rasender Geschwindigkeit vorbeiziehen, tauchen die apokalyptische Landschaft in ein unheilvolles Licht. In einiger Entfernung entlädt sich ein Gewitter, dass auf der Erde seines gleichen sucht. Blitz auf Blitz flackert durch die aufgeheizte Atmosphäre. In Bodennähe treiben immer wieder dichte dunkle Schwaden vorbei. Den Regen ignorierend bewege ich mich auf eine dieser Schwaden zu. Kurz wedle ich mit der Hand durch das schwarze Zeug. Es kommt mir vor wie Ruß. Ist die Atmosphäre hier so gesättigt mit Kohlenstoff, dass dieser immer wieder ausfällt? Kurz darauf hat der Regen meine Hand wieder gereinigt und auch diese Schwade zu Boden gewaschen.

Warum wollte ich noch einmal hier her? Ach ja, ich war gerade in der Gegend und einfach neugierig.

Links vor mir erhebt sich ein gigantischer Schildvulkan. Das ist ein Vulkan, aus dem die Lava einfach in riesigen Mengen herausgelaufen ist und nach dem Erstarren wie eine Art Abdeckhaube über dem ursprünglichen Vulkan liegt. Aktiven Vulkanismus gibt es hier schon lange nicht mehr. Aber dafür Erosion. Der ständige Wind und immer wieder vorkommende kräftige Regen haben die Landschaft geprägt. Anders als auf der Erde verdampft ein Großteil der Tropfen bereits wieder während diese noch fallen. Und die paar, die es bis zum Boden schaffen, verdampfen bei Bodenkontakt mit einem zischenden Knall.

Immerhin liegt hier neben den ganzen größeren und kleineren Gesteinsbrocken so etwas wie Sand. Ich gehe in die Hocke und nehme eine Hand voll davon auf. Der Sand ist noch gar nicht richtig durch meine Finger gerieselt, da wird er schon vom rauschenden Wind davongeweht. Die Luft hier besteht fast zur Gänze aus Kohlenstoffdioxid, kurz CO2 . Kein Wunder, dass es hier gerade fast 460 °C hat. Die Venus ist ein Stück näher an der Sonne und hat viel mehr Treibhausgase in der Atmosphäre als die Erde. Wir arbeiten ja gerade hart daran, dass die Erde ein Zwilling der Venus wird.

Apropos Zwilling. Venus und Erde sind sich in vielen Dingen sogar sehr ähnlich. Beide sind fast gleich groß, haben eine Atmosphäre und noch ein paar weitere Gemeinsamkeiten.

Gleich neben mir verpufft wieder ein Regentropfen auf einem Stein. Dadurch wird ein kleines bisschen Zeug von diesem Stein abgesprengt. Da um mich herum aber noch viele Steine liegen scheint das eher selten passieren, sonst wäre hier schon alles flach und sandig.

Unschlüssig drehe ich mich einmal um mich selbst. Die Landschaft ist bizarr. Auf der einen Seite schroffe Felsen die sich in einiger Entfernung zu einem richtigen Gebirge erheben. Die höheren Gipfel verschwinden in den dichten Wolken der Venusatmosphäre. Hier herrscht ein unglaublicher Druck. 92 bar auf „Meereshöhe“. Das ist 92 Mal so hoch wie auf der Erde.

Ich drehe mich in die andere Richtung und blicke über eine weite Ebene. Hier liegt viel Geröll. Alles hat diesen deprimierend grau-gelben Farbton den das Licht hier verbreitet. Wenn ich das Licht mit der Hand ein bisschen abschirme, dann ist das Gestein im Schatten nur noch grau. Dann doch lieber mit dem kränklichen Gelb. Irgendwie drückt die ganze Szenerie auf mein Gemüt. Lange werde ich es hier nicht mehr aushalten.

Aber irgendwas glitzert dort links vor mir. Jetzt bin ich doch neugierig. Vorsichtig mache ich mich auf den Weg durch diese Geröllwüste. Die Steine sehen merkwürdig aus. An manchen Stellen glattgeschliffen und an anderen Stellen so als wären diese frisch aus einem Vulkan ausgespien worden. Immer wieder streifen mich kurze aber heftige Böen. Ich hebe einen besonders auffälligen Stein auf und drehe ihn unschlüssig in den Händen. Den nehme ich ein Stückchen mit und betrachte ihn genauer. Er sieht aus wie eine Mischung aus Basalt und Bimsstein. Einerseits hat er kompakte Anteile, aber an anderen Stellen ist er aufgeschäumt. In die Betrachtung des Steines versunken hätte ich fast vergessen, dass ich mir ja dieses komische Glitzern ansehen wollte. Mich trennen nur noch etwa 50 Meter davon. Es sieht irgendwie technisch aus. Nicht von hier. Endlich dort angekommen stehe ich vor einem Trümmerfeld. Das war definitiv eine harte Landung. So war das sicher nicht geplant. Ganz klar kommt der Schrott von der Erde. Die kyrillische Schriftzeichen sind ein starker Hinweis darauf. Mein Gehirn meint, schon einmal von Venussonden gehört zu haben. Genau, das muss eine der Venera-Sonden der Russen sein. Oder was davon halt noch übrig ist. Es hat ein paar Versuche gegeben auf der Venus zu landen. Vor mir liegt ein gescheiterter. Oder besser, ein Stück des Weges zu einer erfolgreichen Landung. Allerdings sind die Umweltbedingungen hier so extrem, dass auch die erfolgreich gelandeten Sonden nicht sonderlich lange durchgehalten haben. Bei etwas über 100 Minuten liegt der Rekord. Dann waren die auch kaputt.

Mein Gefühl sagt mir, dass ich mich auch der 100 Minuten-Grenze nähere. Ich sollte schleunigst hier weg, bevor ich auch kaputtgehe…


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert